Eingabehilfen öffnen

25 Jahre Haus Nostitzstraße

• geschrieben am

Das Wohnheim Nostitzstraße ist ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Berliner Wohnungslosenhilfe und bis heute ein einzigartiger Ort. Zum Jubiläum kamen am Mittwoch Mitarbeitende, Bewohner, Wegbegleiter*innen und Unterstützer*innen zusammen, um gemeinsam zu feiern.

Sonnenschein, Grußworte und ein Gedicht zur 25-Jahr-Feier

Seit einem Vierteljahrhundert bietet das Wohnheim Nostitzstraße chronisch alkoholabhängigen Männern professionelle Betreuung und eine langfristige Bleibe. Für viele Bewohner ist es außerdem ein Ort der Gemeinschaft und des Zusammenlebens. Nach Wochen voller Regen kehrte pünktlich zur 25-Jahr-Feier die Sonne zurück und nach der Eröffnung im Gemeindesaal kamen die zahlreichen Gäste und Bewohner im Garten der Unterkunft zusammen. Zur Eröffnung sprachen neben den Einrichtungsleitungen Ulrich Davids und Lukas Lindner auch Ingo Bullermann (Geschäftsführer Neue Chance) und Madeleine Osho-Ogun (Geschäftsführerin GEBEWO). Zu Gast waren außerdem Oliver Nöll (stellvertr. Bezirksbürgermeister und Stadtrat für Bürgerdienste, Arbeit & Soziales Friedrichshain-Kreuzberg), Jana James (Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege) und Ina Zimmermann (Referentin für Armutsbekämpfung, Wohnungslosenhilfe und Soziale Dienste der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz), die sich mit Grußworten an die Mitarbeitenden, Bewohner und Gäste wandten. Sie alle betonten die bedeutsame Rolle des Hauses bei der Versorgung von wohnungslosen suchtkranken Menschen. Der offizielle Teil endete mit einem Gedicht, das ein langjähriger Bewohner anlässlich des Jubiläums verfasst hatte – und großem Applaus. Im Anschluss gab es die Möglichkeit einer Hausführung, die viele Gäste nutzten.

Aus der Not entstanden und bis heute einzigartig

Den Grundstein legte in den 90er-Jahren Pfarrer Ritzkowsky von der Kirchengemeinde Heilig-Kreuz-Passion. Damals diente das Haus eine Zeit lang als Raum für Asyl in der Kirche und eine Wärmestube. In dieser Wärmestube erlebte er, wie es einigen der Besucher aufgrund ihrer langjährigen Obdachlosigkeit gesundheitlich immer schlechter ging. Diese Not ließ ihn den Entschluss fassen, eine langfristige Unterkunft für die Männer zu schaffen. Im Februar 1998 öffnete das Wohnheim mit der Unterstützung der Gemeinde dann mit 21 Plätzen. Zunächst zogen nur sechs Bewohner ein, aber schnell waren alle Zimmer belegt und es zeigte sich, wie wichtig dieses Angebot für alkoholabhängige obdachlose Männer war. Hier erlebten sie Zuwendungen und Miteinander, bekamen Essen und Trinken und erhielten medizinische Versorgung. Bald konnte man weitere Etagen des Hauses nutzen, aus Mehrbett- wurden Einzelzimmer und es bildeten sich Wohngruppen. Heute hat das Wohnheim Nostitzstraße 43 Plätze und ein 14-köpfiges multiprofessionelles Team.

Raum für Begegnung und Teilhabe

Seitdem ist es ein Ort, der den Bewohnern nach Jahren auf der Straße wieder ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Dazu gehört neben einer adäquaten Versorgung und dem Leben in einer Gemeinschaft auch die Teilhabe am sozialen Leben. Möglich machen das neben den Mitarbeitenden seit mehr als zwei Jahrzehnten viele ehrenamtliche Helfer*innen, Praktikant*innen und Menschen, die ihren Bundesfreiwilligendienst absolvieren. Es wird gemeinsam gekocht, es gibt Spielenachmittage, Gesprächsrunden, es werden Spaziergänge gemacht und Ausflüge unternommen.
Natürlich vergingen die 25 Jahre nicht ohne Konflikte. Insbesondere die Anwohner*innen begegneten den Bewohnern anfangs mit großer Skepsis. Es gab einige Beschwerden und brauchte viele persönliche Gespräche, bis die Akzeptanz zunahm. Das gelang auch, weil die Mitarbeitenden immer wieder Momente schafften, wo sich Nachbar*innen, Bewohner und Mitarbeitende kennenlernen und ins Gespräch kommen konnten. Mittlerweile ist das Wohnheim Nostitzstraße ein fester Bestandteil der Nachbarschaft.

Neue Chance für das Wohnheim Nostitzstraße

2018 gab es erste Überlegungen von der Gemeinde Heilig-Kreuz-Passion in eine andere Trägerschaft zu wechseln. Die finale Entscheidung, Teil der Neue Chance gGmbH zu werden, fiel im Jahr 2020.  Parallel dazu veränderte sich auch die Arbeit im Haus. Man stellte fest, dass sich zunehmend jüngere Menschen mit Mehrfachabhängigkeiten und psychischen Beeinträchtigungen meldeten. Um auch dieser Not zu begegnen, öffnete man das Angebot für Männer, die substituiert werden oder aufgrund ihrer Psyche einen höheren Betreuungsgrad benötigen.
Aktuell bildet sich das Team außerdem im Bereich der Hospizarbeit weiter. Denn auch das gehört zur Realität: Viele Bewohner sterben im Wohnheim Nostitzstraße. Und es ist den Mitarbeitenden von Beginn an eine Herzensangelegenheit gewesen, dass sie dies in einer gewohnten und geborgenen Umgebung können. Als Mensch mit einer Geschichte und einem Namen – und nicht anonym unter irgendeiner Brücke dieser Stadt. So kam es auch, dass sich Joachim Ritzkowsky zeitlebens für ein Gemeinschaftsgrab einsetzte, das es bis heute gibt und den Bewohnern auch im Tod eine würdige Ruhestätte ermöglicht.

Die Schwächsten der Gesellschaft nicht aus dem Blick verlieren

Das Wohnheim Nostitzstraße ist seit 25 Jahren ein Zufluchtsort für die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Für die, denen sonst nirgends ein Platz eingeräumt wird, die übersehen werden und die man nicht mitdenkt. Lukas Lindner wandte sich in seiner Rede zum Abschluss deshalb mit dem Appell an Politik, Presse und Gesellschaft, sich nicht abzuwenden, sondern hinzusehen und zuzuhören.

 "Ich möchte daran erinnern, wie schnell ein Schicksalsschlag das Leben verändern kann, wie schnell man in einen Drogenkonsum geraten kann. Es kann jeden treffen. Wir dürfen nicht wegschauen."

Wir danken allen Förder*innen, die in den letzten 25 Jahren nicht weggesehen haben, sondern mit Spenden oder politischem Engagement den Fortbestand dieses Angebots unterstützt haben. Der größte Dank aber gebührt allen Mitarbeitenden und Freiwilligen, die den Bewohnern über ein Vierteljahrhundert täglich ein menschenwürdiges Leben ermöglicht haben. Die ihnen mit Respekt und Zuwendung begegnet sind – und das auch in Zukunft weiter tun werden.